Donnerstag, 31. Mai 2007

Wie kam es zur Gründung des Deutschen Papiermuseums 1957 ausgerechnet in Greiz?

Gastartikel von Frank Heinzig, Fockendorf

Der informierte Leser wird die Fragestellung leicht abtun, natürlich weil in Greiz seit mehr als 400 Jahren Papier gemacht wird! Aber damit allein ist die Frage nicht beantwortet, denn es gab in Deutschland mehr als 1.000 Papiermühlenstandorte und die erste Papiermühle Deutschlands nahm ihren Betrieb bereits 1390 in Nürnberg auf.

Zu den bedeutendsten deutschen wie auch internationalen Forschern auf dem Gebiet der Papiergeschichte und speziell der Wasserzeichenkunde gehört zweifellos der aus Südwestdeutschland stammende, 1872 in Schwetzingen geborene, Dr. Karl Theodor Weiß. Zunächst hatte er in Baden Baden eine Kariere als Jurist begonnen, mehr und mehr galt sein Interesse aber vorrangig den brotlosen Forschungen zur Papiergeschichte und seinen ständig wachsenden Sammlungen dazu. Nach dem I. Weltkrieg, er hatte sich gleich zu Beginn 1914 als Freiwilliger gemeldet, siedelte er mit seinen Sammlungen zu seiner Familie in das Schwarzwalddorf Mönchweiler bei Villingen um, in eine Hütte ohne fließendes Wasser, ohne Strom und mit nur einem beheizbarem Raum. Dort widmete er sich unter ärmlichsten Verhältnissen nun ausschließlich seinen Sammlungen und seinen Forschungen. Erst 1939 konnte er durch Vermittlung seines Sohnes, Dr. rer. pol. Wisso Weiß, eine wesentlich komfortablere Wohnung in Erfurt beziehen. Im Oktober des Jahres 1939 zog er mit seiner Ehefrau Josefine und seinen Sammlungen, die in mehr als 300 großen und kleineren Kisten verpackt waren und zwei Güterwaggons beanspruchten, nach Erfurt um, der eigentliche Hausrat benötigte nur einen kleinen Möbelwagen.

Ende März 1941 wandte sich Dr. Karl Theodor Weiß in einem Brief an die Greizer Papierfabrik und deren damaligen Eigentümer Felix Günther. Darin schreibt er:
„Verehrl. Papierfabrik Greiz. Sehr geehrter Herr Günther. Ich lese in den Zeitungen von dem dreihundertfünfzigjährigen Bestehen Ihres Werkes. Obwohl die erste Papiermühle schon zwei Jahre zuvor errichtet wurde, ist die Erteilung des ausschließlichen Privilegs doch als Grundlage für das Gedeihen der Anlage maßgebend. Ich habe daher auch das Jahr 1591 in meine Gedenktage zur Papiergeschichte aufgenommen. Sie kennen wohl die seit einigen Jahren im Altenburger Papierer erfolgten Stichproben aus diesem Regestenwerk, das bisher noch keinen Verleger hat finden können. Ich wäre Ihnen zu Danck verbunden, wenn ich den Festaufsatz von Herrn DR. Günther – Gießen mit Ihrer Werkzeitung „Kollergang“ erhalten könnte, um meine Fachsammlung zu vervollständigen. . . . Gerne bin ich bereit Ihnen gelegentlich auf Wunsch auch einen Beitrag für Ihre Werkzeitung mit oder Ohne Abbildungen zur Verfügung zu stellen. . . .
Erfurt, Epinaystr. 22
32. März 1941 Dr. Weiß“

Es ist kein Versehen des Verfassers, Karl Theodor Weiß hat als typischer zerstreuter Gelehrter tatsächlich neben anderen kleinen Fehlern als Datum den 32. März angegeben.

Dieser Brief war der Beginn eines regen Briefwechsels zwischen Karl Theodor Weiß und Felix Günther, der dann bis zum Tod des ersteren, am 12. Mai 1945, fortgesetzt worden ist. Zusammen mit weiteren Briefen, unter anderem von Alfred Schulte, dem Leiter der Forschungsstelle Papiergeschichte in Mainz, von Dr. Hans H. Bockwitz, dem Direktor des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig und von Armin Renker, dem Besitzer der Papierfabrik Zerkall bei Düren und Obmann des Ausschusses für Papiergeschichte und Wasserzeichenkunde im Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker und –Ingenieure, ist diese Korrespondenz, bestehend aus insgesamt 93 Briefen und Aktennotizen, nach 1948 im Archiv der Greizer Papierfabrik deponiert worden und in Vergessenheit geraten. 1994 hat man das Archiv aufgelöst und das Material in verschiedenen Räumen der Fabrik untergebracht, die weder gebührend gesichert waren, noch ausreichend Schutz vor schädigenden Umwelteinflüssen boten. In einem dieser inzwischen unverschlossenen Räume befanden sich noch 1999 erhebliche Mengen dieses Materials, teilweise durchnässt, partiell verschimmelt und zum Teil bereits zerfallen. Am Fußboden lag in einer Wasserlache unter anderem ein verschnürtes Bündel Akten, dessen oberstes Blatt mit Schreibmaschine in Frakturschrift beschrieben war. Diese Schrift deutete auf Karl Theodor Weiß hin, der eine solche Schreibmaschine benutzt hatte, deshalb nahm der Autor das Bündel an sich, es war die besagte Korrespondenz. Kurze Zeit später wurde das restliche Material als Müll entsorgt.


Am 4. Dezember 1943 schreibt Felix Günther an Karl Theodor Weiß folgendes:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Die Vernichtung so vieler wertvoller Sachen, die wir in diesen Tagen erleben müssen, läßt auch eine gewisse Sorge um Ihre wertvollen papiergeschichtlichen Sammlungen bei mir aufkommen. Es wäre jedenfalls sehr bedauerlich, wenn dieselben einem Luftangriff zum Opfer fallen würden. Ich weiß ja nicht, ob Sie bereits Vorkehrungen getroffen haben. um die Sachen in Sicherheit zu bringen, sonst aber würde ich mich bereit erklären, zu mindesten einen größeren Teil davon in meinen verhältnismäßig sicheren Gewahrsam zu nehmen. Ich habe sehr gute Kelleranlagen, die wahrscheinlich einem durchschnittlichen Angriff Widerstand leisten würden, und außerdem liegt mein Werk im Tal zwischen Bergen, so daß auch dadurch eine gewisse Gewähr geboten ist. Wenn es nicht so wäre, würde ich Ihnen nicht den Vorschlag machen. Ich glaube Ihnen aber aus bester Überzeugung heraus meine Kellerräume für die Unterbringung wenigstens eines Teiles Ihrer Sammlung empfehlen zu können.
Da Sie wohl großen Vorrat an altem Papier aber vielleicht keinen sehr großen an neuem haben, gestatte ich mir, Ihnen 2 Mappen noch einigermaßen gutes Briefpapier zu übersenden. Ebenso füge ich die letzte Nummer meiner Werkzeitschrift “Kollergang” bei, der Sie ja auch immer Interesse entgegen bringen.
Vielleicht interessiert es Sie, daß mein Bruder, Prof. Günther in Gießen, jetzt einen weiteren Teil der Güntherschen Firmengeschichte fertiggestellt hat. Ich werde mir später erlauben, Ihnen diese auch einmal zur Verfügung zu stellen.
Mit besten Grüßen [Unterschrift]“

Karl Theodor Weiß antwortete auf diese Anfrage zunächst nicht, sondern ein Fräulein Line Ebert schrieb am 21. Dezember 1943 wie folgt:
Sehr geehrter Herr Doktor!
Durch meinen öfteren Besuch im Hause Dr. Weiß, Erfurt Epinaystr. 22 erfuhr ich auch von ihrem großzügigen Ansinnen in ihrem Brief vom 9. Dez. und erlaube mir hierauf, Ihnen einige Fingerzeige zu geben. Herr Dr. Weiß sr. ist grundsätzlich bereit, von ihrem lieben Angebot Gebrauch zu machen. Aber wenn Sie Dr. Weiß persönlich kennen, werden Sie verstehen, daß es immer eines gewissen Anhiebs zur praktischen Verwirklichung bedarf, um dieses Vorhaben auszuführen. Daher habe ich mich auch persönlich bereit erklärt, Herrn Dr. Weiß an die Hand zu gehen, denn ich könnte es von meinem persönlichen Standpunkt aus nicht verantworten, wenn im Falle eines Angriffs solch wertvolle Sammlungen verloren gingen, ohne vorher jede Möglichkeit zur Verlagerung ausgenützt zu haben, zumal ich gerade hier in der Gauwirtschaftskammer mit diesem Referat der Ausweich- u. Reservelagerbildung beauftragt bin.
Herr Dr. Weiß will Ihnen ja noch persönlich schreiben, hoffentlich nicht erst, wenn es zu spät ist. Also verlagert ist bis jetzt noch gar nichts. Herr Dr. Weiß ist gegenwärtig mit der Aufstellung eines Verzeichnisses beschäftigt, aber was nützt dasselbe, wenn der Inhalt nicht realisierbar wäre. . . .“

Felix Günther antwortete darauf am 31. Dezember:
„Sehr geehrtes Fräulein Ebert!
Aus Ihrem Schreiben vom 21. d. M. habe ich ersehen, daß Herr Dr. Weiß bereit ist, einen Teil seiner papiergeschichtlichen Sammlungen in Greiz unterzubringen und daß Sie evtl. die Überbringung übernehmen wollen. Ich habe Auftrag gegeben, zu untersuchen, ob sich eine Autogelegenheit bietet. Aber das ist heute sehr schwierig. Das eigene Auto kommt nicht infrage und eine andere Fahrtmöglichkeit wird sich erst im Laufe des Januar evtl. ergeben. Es ist nun die Frage, ob man das noch abwartet, damit Sie sich nicht zu bemühen brauchen.
Vielleicht ist es zweckmäßig, sich inzwischen schon mit der Registrierung und Verpackung zu befassen, vor allem auch eine genaue Bezeichnung und Nummerierung. Wenn Sie Kisten brauchen, könnte ich Ihnen evtl. einige zur Verfügung stellen, und ich bitte, mich zu unterrichten, was infrage kommt.
Ich werde Ihnen demnächst noch einmal Bescheid geben, ob Aussicht für eine Lastwagen-Gelegenheit vorhanden ist. Gegebenenfalls wird auch mein Prokurist Querfeld, der ab und zu in Weimar zu tun hat, mit Ihnen darüber sprechen bzw. von dort aus nach Erfurt mit kommen, um mit Herrn Dr. Weiß Rücksprache zu nehmen.
Bestens grüßend bin ich Ihr ergebener [Unterschrift]“

Am gleichen Tag schreibt Felix Günther zusätzlich noch einen Brief direkt an Karl Theodor Weiß mit ähnlichem Inhalt.

Am 11. Januar 1944 schreibt Line Ebert:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Im Nachgang zu meinem Schreiben vom 5.1. wegen der Verlagerung der Dr. Weiß´schen Sammlung teile ich Ihnen mit, daß Herr Dr. Weiß Ihnen sehr dankbar ist, wenn Sie ihm noch einige Kisten in der Größe von etwa 30 auf 50 cm u. einer beliebigen Höhe zur Verfügung stellen könnten.
Augenblicklich sind 3 Kasetten - Autographen - verpackt, an der Aufstellung des Verzeichnisses arbeite ich noch u. werde Ihnen nach Fertigstellung einen Durchschlag zugehen lassen.
Weiter wünscht Herr Dr. Weiß noch von Ihnen zu erfahren, wieviel Kisten er bereitstellen kann d. h. wieviel Platz Sie für ihn erübrigen könnten.
Bei irgendwelcher Rückfrage können Sie mir ruhig schreiben, ich fahre meist Samstag - Sonntag rüber nach Erfurt u. kann dann die Sache besprechen.
Seien Sie bestens gegrüßt von Ihrer Line Ebert“


Innerbetriebliches Schreiben von der Chefsekretärin Frau Fritzsche an Herrn Pammler vom 15. Januar 1944:
„Herr Pammler
An Herrn Dr. Weiß, Erfurt, Epinaystr. 22 sind auf schnellstem Wege und bei allererster Gelegenheit 4 Kisten zu senden, und zwar gefüllt mit Packmaterial. Die Kisten sind in der Geheimschreiberei abzuholen.“

Brief von Line Ebert an Felix Günther, geschrieben am 31. Januar 1944:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief vom 24. Januar. Ich war nun nochmals am verflossenen Samstag in Erfurt und fand die Kisten vor. Leider hat sich aber in der Zwischenzeit eine Verstimmung mit dem Hause Dr. Weiss zugetragen, das mich meine Fürsorge für die Verlagerung beenden lässt. Ich stand nämlich mit Herrn Dr. Weiss jr. in engstem Verhältnis, das ich aber durch unliebsame Vorkommnisse seinerseits gelöst habe. Herrn Dr. Weiss sr. ist es daher sehr unangenehm, dass ich ihm nicht mehr an die Hand gehen kann und wird er nunmehr mit Ihnen selbst weiter wegen der Sicherstellung korrespondieren.
Ich danke Ihnen nochmals herzlichst für Ihre grosse Bereitwilligkeit und Geduld Herrn Dr. Weiss gegenüber und hoffe dennoch, dass im Interesse des Wertes der Sammlungen sich bald eine Sicherungsmöglichkeit bietet. . . .“

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 2. Februar 1944:
„Sehr geehrter Herr Dr. Weiß!
Von Frl. Ebert, Weimar, mit der ich bisher über die Sicherstellung eines Teiles Ihrer wertvollen geschichtlichen Sammlungen korrespondierte, wurde mir mitgeteilt, daß sie sich leider nicht mehr mit der Angelegenheit befassen könne.
Ich mache Ihnen nun folgenden Vorschlag. Nächste Woche werde ich Ihnen einen meiner Angestellten, Labormeister Patzer, der mit solchen Dingen sehr gut umzugehen weiß, hinschicken. Herr Patzer wird das Material fertig verpacken und teilweise in Koffern selbst mit zurücknehmen, teilweise als Passagiergut aufgeben, sodaß die nach menschlichem Ermessen beste Gewähr gegeben ist, daß die Sachen sicher hierher gelangen. . . . .“

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 18. Februar 1944:
„Sehr geehrter Herr Dr. Weiß!
Leider habe ich auf meinen Brief vom 2. Februar, in dem ich Ihnen anbot, einen zuverlässigen Mann zu Ihnen zu schicken, der Ihre geschichtlichen Sammlungen zweckmäßig für den Versand verpacken kann, nichts wieder von Ihnen gehört. Ich möchte Sie doch bitten, mir wenigstens eine Antwort darauf zu geben. Ich bemühe mich doch nur in Ihrem und im allgemeinen Interesse darum, daß die Sammlungen vor Vernichtung bewahrt werden. Es steckt doch darin Ihre Lebensarbeit, und ich würde es aufrichtig bedauern für Sie und für das ganze Papierfach, wenn die Dinge verloren gingen. Ich betrachte mich wirklich als einen aufrichtigen Freund Ihrer Arbeit und deshalb habe ich mich seit Wochen bemüht, eine Möglichkeit dafür zu finden, die Sammlungen nach hier zu bringen, wo ich sie sicher verwahren kann.
Jetzt bietet sich nun doch eine Gelegenheit, die Sachen in einem Lastwagen am 1. März hierher zu befördern. Dazu müßte allerdings dann alles gut verpackt und jederzeit abholbereit sein, da die Leute, die mit dem Wagen unterwegs sind, sehr wenig Zeit haben. Ich halte es deshalb für das richtigste, wenn ich Ihnen Herrn Patzer in der nächsten Woche hinschicke, damit er Ihnen bei der zweckmäßigen Verpackung behilflich sein kann. Er ist sehr geschickt und weiß genau, wie er so etwas am besten handhaben kann. Sie brauchen mir nur kurz zu schreiben, daß Sie damit einverstanden sind und ob Herr Patzer jederzeit oder an einem bestimmten Tag kommen soll.
Mit bester Empfehlung Ihr ergebener [Unterschrift]“

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 22. Februar 1944:
„Sehr geehrter Herr Dr. Weiß!
Die Sorge um Ihre Sammlungen läßt mich nicht los, besonders seit Erfurt mit Bomben belegt worden ist. Ich schicke nun, ohne Nachricht von Ihnen erhalten zu haben, meinen Labormeister Patzer zu Ihnen, der in jeder Weise zuverlässig ist und dem Sie das mitgeben wollen, was Sie für am wichtigsten halten und was er tragen kann. Glauben Sie mir, es ist wirklich nur die Sorge um Ihre für die Allgemeinheit so wertvollen Sammlungen, die mich veranlaßt, immer wieder in dieser Angelegenheit an Sie heranzutreten. Ich würde mir einen Vorwurf machen, wenn die Sachen verbombt würden.
Ich füge bei der Gelegenheit die letzte Nummer von meiner Werkzeitschrift “Der Kollergang” bei, die Sie vielleicht etwas interessieren wird.
Mit bester Empfehlung bin ich Ihr sehr ergebener [Unterschrift]“

Brief von Felix Günther an Armin Renker, geschrieben am 24. April 1944:
„Sehr verehrter Herr Renker!
. . . Und nun komme ich nochmal auf Ihr Schreiben vom 15. Januar zurück, in dem Sie mir über Dr. Weiß schreiben. Ich habe inzwischen eine Reihe von Kisten mit viel Mühe und Not hier nach Greiz geschafft und gut aufgehoben. . . .“

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 27. Mai 1944:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Zunächst möchte ich Sie darüber beruhigen, daß sich die mir von Ihnen in Aufbewahrung gegebenen alten Papiere noch unversehrt im Keller befinden und hoffentlich auch weiter durch den Krieg durchkommen werden, obgleich wir natürlich auch nicht vor Angriffen sicher sind. Jedenfalls tue ich mein Bestes, Ihnen die mir anvertrauten Teile Ihrer Sammlung zu erhalten. Bei der Gelegenheit möchte ich anfragen, ob Sie nicht noch mehr von den Papieren hier nach Greiz geben wollen, denn Erfurt ist doch zweifellos gefährdeter, besonders Ihr Haus. Wenn es der Fall ist, würde ich gern meinen Labormeister Patzer nochmal zu Ihnen schicken. . . . Wie mir Herr Patzer sagte, hat Ihnen der Syrup, von dem ich Ihnen einmal eine Büchse zugehen ließ, gut geschmeckt. Deshalb schicke ich Ihnen als Pfingstgruß nochmal eine größere Büchse, da ich gerade in diesem Material gut versehen bin.
Mit besten Grüßen und vor allem dem Wunsch auf recht baldige Besserung Ihres Gesundheitszustandes verbleibe ich
Ihr sehr ergebener [Unterschrift]“

Bespechungsprotokoll von Felix Günther mit Karl Theodor Weiß am 18. Juli 1944 in Erfurt:
„Besprechung mit Dr. Weiß, Erfurt 18.7.44
Dr. Weiß, der übrigens noch nicht so alt sondern erst 1872 geboren ist, befindet sich in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand, so daß er kaum wieder aufkommen wird. . . .
Von seinen Privatsammlungen will Dr. Weiß evtl. noch mehr oder dieselben vollständig nach Greiz geben. Es handelt sich um rund 1000 Mappen, die vielleicht ein Gewicht von 5000 kg haben. Er bittet darum, daß große Kisten für die Mappen, die ein Format von 30x40 cm haben, gemacht werden. Da aber die Papiere teilweise überstehen, wäre eine Größe von vielleicht 40x50 cm ratsam. Ich glaube aber, daß ein Verpacken der Akten, vielleicht in starkes Papier, noch zweckmäßiger ist. Die Pakete werden dann auf einen Kraftwagen geladen und kommen auf diese Weise sicher nach Greiz.“

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 21. Juli 1944:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Von dem Besuch bei Ihnen, der unter Fliegeralarm stattfand, bin ich glücklich und rechtzeitig wieder in Greiz angekommen. Es war sehr gut, daß wir uns einmal gesprochen haben, habe ich doch manches interessante von Ihnen erfahren und konnte auch noch eine bessere Einsicht über Ihre Sammlungen gewinnen, daß dieselbe einzigartig ist, wußte ich ja bereits.
Wegen der Überführung der 1000 Mappen nach Greiz werde ich die entsprechenden Maßnahmen veranlassen. Am besten wird es doch sein, die Mappen in große Pakete in festes Packpapier oder Pappe zu verpacken und diese großen Pakete dann dch. Auto nach Greiz zu überführen, vielleicht nicht alle auf einmal, damit das Risiko der Fahrt nicht zu groß wird. Zu diesem Zweck werde ich demnächst wieder einmal Herrn Patzer zu Ihnen schicken, womit ich Sie einverstanden hoffe. Von dem weißen Druckpapier für Ihre Mappen lasse ich Ihnen heute ca. 1000 Bg. 35 x45 cm zugehen, während Ihre Bogen 29 x 45 cm messen, mein Papier ist also nach der einen Seite genau so groß, nach der anderen Seite 6 cm größer, und ich hoffe, daß es passen wird. Ferner füge ich ca. 500 weiße Karteikarten bei, wenn Sie mehr haben wollen, können Sie mehr haben, ebenso von dem Papier. Ein kleines Päckchen mit Eiern schicke ich gleichzeitig ab, und wenn Herr Patzer zu Ihnen kommt, wird er Ihnen auch etwas mitbringen, damit Sie recht bald wieder zu Kräften kommen und Ihre verdienstvolle Arbeit für das deutsche Papiergewerbe wieder aufnehmen können.
Auf die übrigen Punkte, die wir noch besprochen haben, komme ich dann später zurück und verbleibe inzwischen mit besten Grüßen und einer Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin, die Ihnen so treulich hilft,
Ihr sehr ergebener [Unterschrift]

Brief von Felix Günther an Karl Theodor Weiß, geschrieben am 29. Juli 1944:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Die 84 Mappen, die Herr Patzer eingepackt hat, sind glücklich in Greiz eingetroffen und im Lagerkeller gut untergebracht. Es ist schade, daß die Sendung nicht größer ist, denn bei den Angriffen auf Erfurt ist doch eine gewisse Eile geboten. Ich dachte, er würde wenigstens 300 Mappen mitbringen und das würde auch möglich gewesen sein, wenn Sie es nicht allzu genau mit dem Nummerieren usw. nehmen. Sie können doch überzeugt sein, daß von Herrn Patzer und mir alles so gewissenhaft wie möglich gemacht wird und daß nicht ein Stückchen Papier wegkommt. Herr Patzer hat zufällig wieder in Erfurt in anderer Angelegenheit zu tun und hat dabei vielleicht Zeit, wieder von den Mappen welche einzupacken, und die Arbeit wird auch noch dadurch gefördert werden, daß Herr Patzer noch einen Hilfsmann bei sich hat. Lassen Sie doch diese beiden Männer soviel als möglich zusammenpacken, damit die Mappen fertig dastehen und bei erster Gelegenheit mit dem Auto abgeholt werden können. . . .“

Reisebericht von Ernst Patzer an Felix Günther, geschrieben am 2. August 1944:
„Herrn Dr. Felix Günther.
Reisebericht betr. Erfurt am 31.7. - 2.8.44.
. . . Anschließend besuchte ich dann Dr. Weiß und habe mich mit ihm noch mal ausgesprochen über die Akten. Am 1.8. haben wir dann gleich angefangen mit den Akten zuverpacken Herr Dr. Weiß hat sie notiert und ich habe ausgezählt. Sein Schlafzimmer habe ich nun vollständig leer gemacht es sind ca. 500 Mappen welche wir baldmöglichst nach Greiz bringen müssen. . . .“

Brief von Felix Günther an Hans H. Bockwitz, geschrieben am 21. Dezember 1944:
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Aus Ihrem Schreiben vom 16. Dezember ersehe ich, daß die Notiz über die Waweitmühle in meiner Werkzeitschrift Ihre Aufmerksamkeit gefunden hat. Die Unterlagen für diese Mitteilung habe ich von Herrn Dr. Weiß persönlich erhalten, und er hat auch meine Veröffentlichung gebilligt. Ich würde über die von Ihnen angeregten Fragen mit Herrn Dr. Weiß gerne persönlich sprechen, nur komme ich in nächster Zeit wahrscheinlich nicht nach Erfurt, vielleicht aber kann ich es durch einen Beauftragten von mir tun lassen, der möglichst den Rest der Weiß´schen Sammlung nach Greiz bringen soll; den größten Teil habe ich bereits untergebracht, denn dort in Erfurt war es doch zu unsicher und ich hielt es für notwendig, diese doch für die Papiergeschichte sehr wertvolle Sammlung irgendwie zu sichern, soweit es natürlich heutzutage überhaupt möglich ist. Über diese Angelegenheit habe ich auch mit Herrn Armin Renker korrespondiert, der übrigens in nächster Zeit einmal hierher kommen wird, da ich auch von ihm einen Teil Sachen aus seiner im Kriegsgebiet liegenden Fabrik und Wohnung hierher genommen habe. . . .
Mit bester Empfehlung verbleibe ich Ihr sehr ergebener [Unterschrift]“

Brief von Felix Günther an Wisso Weiß, geschrieben am 5. Januar 1945:
Sehr geehrter Herr Dr. Weiß!
Besten Dank für Ihre Wünsche zu Weihnachten und Neujahr, die gerade nach 4 Wochen eingetroffen sind! Ich wünsche Ihnen jedenfalls auf Ihrer weiteren militärischen Laufbahn alles Gute!
Von Ihrem Herrn Vater habe ich jetzt längere Zeit nichts gehört, ich will ihn aber in den nächsten Wochen einmal besuchen oder Herrn Patzer hinschicken, damit er sich einmal nach ihm umsieht.
In nächster Zeit kommt übrigens Herr Renker aus Zerkall hierher, denn er konnte dort nicht länger bleiben. Sein Betrieb und seine Wohnung liegen jedenfalls unter feindlichem Granatfeuer und sind vielleicht sogar vollständig zerstört. Als er flüchten mußte, war das Zerstörungswerk schon sehr weit fortgeschritten. Seine beiden Prokuristen habe ich auch schon bei mir aufgenommen. Vielleicht nimmt er dann auch einmal Gelegenheit, Ihren Vater mit aufzusuchen.
Ich würde gerne etwas Briefpapier beifügen, aber ich habe keine Marke dafür.
Greiz ist im allgemeinen bis jetzt von Luftangriffen verschont geblieben. Nur am 30. November wurden auf die Stadt etwa 80 Bomben geworfen und dadurch etwa 20 Menschen getötet und verschiedene Häuser zerstört; die Papiermühle ist aber intakt.
Mit besten Grüßen Ihr ergebener [Unterschrift]“

Innerbetriebliche Notiz vom 28. Mai 1945:
„Herr Dr. Günther hat auf seiner Fahrt nach Ilfeld am 23. Mai 1945 den Papiergeschichtsforscher Dr. Weiß in Erfurt mit besuchen wollen, hat aber nur noch seine Frau angetroffen, während Dr. Weiß am 22. Mai verstorben ist.“

Handschriftlicher Brief von Wisso Weiß an Felix Günther, geschrieben am 9. Juni 1945:
„Sehr geehrter Herr Direktor!
Am Mittwoch bin ich heimgekommen. Das Erste war, daß ich sofort das Dach einigermaßen reparierte, damit es nicht mehr hereinregnet. Nachdem ich nun die allerwichtigsten Gänge, die durch die Rückkehr bedingt sind, hinter mir habe, möchte ich Ihnen doch wenigstens ein Lebenszeichen zukommen lassen. Meine Mutter sagte mir, daß Sie kürzlich dagewesen sind. Wenn Sie das nächste mal wieder hier durchkommen, dann werde ich mit Ihnen über alles ausführlich sprechen können. Heute möchte ich Ihnen aber zunächst ganz herzlich danken für all die Mühe, die Sie sich zur Erhaltung und Sicherung der Sammlungen gemacht haben. Wie ich von meiner Mutter höre, sind die Sachen bei Ihnen gut erhalten und durch alle Fährnisse gut hindurchgekommen. Einstweilen müssen sie ja noch dort bleiben, bis die Transportmöglichkeiten besser sind. Ich habe einstweilen mit Ordnen und Sichten des väterlichen Nachlasses hier zu tun.
Mit recht freundlichen Grüßen u. besten Wünschen, auch von meiner Mutter
Ihr ergebener Wisso Weiß“

Am 17. November 1947 wurde Felix Günther verhaftet und in Gera als “Naziaktivist” zu einem Jahre und einer Woche Gefängnis verurteilt, ist aber dann erst nach 16 Monaten Haft entlassen worden. Nachdem sein Betrieb am 1. Juli 1948 enteignet worden war, begab er sich nach seiner Haftentlassung im März 1949 zu seiner Tochter nach Eisbergen, Kreis Minden. Er war dort weiterhin in der Papierindustrie und im Papierhandel tätig und starb 8. Februar 1952 im Alter von 80 Jahren.

Wisso Weiß übernahm schließlich das Erbe seines Vaters und suchte lange vergeblich dessen Idee vom Deutschen Papiermuseum zu realisieren, bis er 1957 seine Sammlung an die Stadt Greiz und damit an den Staat (DDR) verkaufte nun richtete man dort im Unteren Schloss das staatliche “Deutsche Papiermuseum” ein. Wisso Weiß wurde als Leiter dieses Museums eingesetzt. 1964 sind diese Sammlungen und damit das Deutsche Papiermuseum, nach Leipzig in das Deutsche Buch- und Schriftmuseum überführt worden, sie sind heute ein wesentlicher Teil der dortigen Papierhistorischen Sammlungen. Wisso Weiß wechselte ebenfalls nach Leipzig und übernahm die Leitung dieses Museumsbereichs bis er 1969 in den Ruhestand trat.

Frank Heinzig


Quellen:
Korrespondenzsammlung Felix Günther im Heimat- und Papiermuseum Fockendorf.
Ulman Weiß: Karl Theodor Weiß, Prolegomena zu einer Biographie.
Dr. Frieder Schmidt, DBSM Leipzig 2004: 100. Geburtstag von Dr. Wisso Weiß.

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